Innovationsstrategie in Zeiten des Umbruchs – wie kao mit einer Netnography Kundenbedürfnissen begegnet

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Wir erleben eine Zeitenwende: es gibt eine Zeit vor der Covid-19 Pandemie und eine Zeit danach. Die Pandemie katalysiert einen Evolutionssprung. Eine Rückkehr zum Ursprungszustand steht nicht in Aussicht, die Abwicklung der Normalität ist anscheinend unumgänglich. Nie war Innovation tiefgreifender als jetzt. Während sich Innovationen in der Vergangenheit vor allem mit Geschäftsprozessen und -Modellen, Services, Produkten oder Strategien beschäftigte, durchdringt das Neu-Erfinden heute jeden Bereich des Lebens. Aktuell aber geht es nicht mehr länger um das bessere Produkt, die autonomere Mobilität, den umfänglicheren Service, die topaktuellere App – es geht darum, uns und unser Leben neu zu erfinden.

Haarige Zeiten als Chance begreifen

Ideation in times of pandemic

Die Coronakrise – ein Thema, das uns seit einem Jahr täglich beschäftigt. Längst kennen wir Symptome und Krankheitsbilder, lesen mit der Sicherheit von Statistikern nationale und internationale Fallzahlen und Kurven, kennen die Namen von Impfstoffen ebenso wie von berühmten Wissenschaftlern und leben mit derzeitigen Einschränkungen zur Eindämmung der Verbreitung des Virus. Wir haben im Eiltempo neue Routinen entwickelt, um den Corona-Alltag zu meistern. 

  

Genau jene Verhaltensveränderungen der pandemischen Zeit nahm kao gemeinsam mit HYVE in einer Netnography unter die Lupe, um kaos Innovations- und Unternehmensstrategie ebenso zügig und agil anzupassen, wie wir es während des letzten Jahres individuell taten. 

Das japanische Chemie- und Kosmetikunternehmen kao mit Hauptsitz in Tokio und einer Tochtergesellschaft in Darmstadt pflegt mit HYVE eine langjährige Partnerschaft. Ein Geschäftsbereich von kao umfasst Produkte zur professionellen Haarpflege mit den bekannten Marken Goldwell, Guhl oder John Frieda. Dabei wird Goldwell vor allem an Friseure geliefert, denen wir im gemeinsamen Projekt besondere Aufmerksamkeit zukommen ließen.  

Netnography als Sprungbrett in den Innovationsprozess

Ein wesentlicher Vorteil einer Netnography besteht im Zugang zu ungefilterten und von Forscher und Forschungssituation unbeeinflussten Informationen, die von erfahrenen und hoch involvierten Anwendern stammen. Dabei wird der Konsumentendialog zu einem bestimmten Thema in Online-Foren und in sozialen Medien von HYVE Researchern ausgewertet. 

Für uns HYVE Researcher hat die Netnography etwas Magisches. Keine Methode liefert tiefere und empathischere Erkenntnisse und vermag es besser, Konsumenten oder Nutzer so umfassend zu begreifen. Es wird das analysiert, was Menschen, häufig unter Pseudonymen, im Netz öffentlich und unbefangen äußern. Ganz ohne sie als Researcher zu beeinflussen. Das macht die Netnography auch zu einer der ehrlichsten Methoden.

Constance Casper – Innovation Researcher bei HYVE
Ideation in times of pandemic

Aus den wichtigsten Erkenntnissen (Insights) einer Netnography erarbeitet HYVE ein Storytelling. Außerdem identifiziert, validiert und erarbeitet HYVE sogenannte Opportunity Areas, die besonderes Potenzial für erfolgreiche und wirklich kundenzentrierte Innovationen bieten.  

Eine Netnography ist also ein ideales Sprungbrett in eine von HYVE begleitete Innovationsstrategie – von der ersten Idee bis zur Markteinführung einer Innovation. Die nächsten Schritte im Innovationsprozess werden je nach Projekt flexibel angepasst.

Alles beginnt mit einer Idee, deshalb ist ein wichtiger nächster Schritt die Ideation-Phase, in der die Opportunity Areas der Netnography zunächst priorisiert und mit der Strategie des Unternehmens abgeglichen werden, um schließlich konkrete Businessideen zu generieren. Anschließend können Geschäftsmodelle durch Business Model Prototyping iterativ erstellt und getestet werden.

Sophie Büttner – Innovation Researcher bei HYVE

Netnography in Zeiten von Hygienediktat und Lockdown

Sicherlich finden wir allesamt derzeit irgendein Haar in der Suppe – und es ist nicht auszuschließen, dass es unser eigenes ist.

Conference call

Friseur*innen mussten während des ersten Lockdowns schließen und öffneten schließlich die Salons unter sehr umfangreichen Hygienemaßnahmen. Auch im zweiten Lockdown mussten Friseur*innen die Schere an den vorläufigen Nagel hängen. Wilde Haarmähnen, herausgewachsene Frisuren, verblasste Haarfarben und zerzauste Bärte begleiten sowohl berufliche online Meetings als auch private Einkäufe.  Auch die mit Haushaltsschere und Rasierer selbstgemachte „Coronafrisur“ kennen viele von uns nicht nur vom Hörensagen..

kao hat als Zulieferer und enger Vertrauter von Friseur*innen erkannt, dass der Umbruch auch vor der Friseurbranche nicht haltmacht. Die Herausforderung bestand darin, ihn zu identifizieren und zu begreifen, um kaos Innovationsstrategie auf Kurs zu halten.

Schon in der Vergangenheit war es kao wichtig, in unserer Innovationsstrategie Methoden anzuwenden, die den Konsumenten in den Vordergrund stellen. Bei diesem Projekt fand ich besonders interessant, dass sich die Methode der Netnography auch für hochaktuelle Diskussionen eignet, ohne dass mehrjährige Social-Media-Daten vorlagen.

Karin Altmann – Marktforscherin bei kao

kaos Herausforderungen:

  • Entwicklung eines pandemiekonformen Hygienekonzepts, das Friseur*innen und deren Kund*innen im Salon langfristig unterstützen kann.
  • Evaluation der allgemeinen Verhaltensveränderungen von Konsument*innen im Zuge der Coronakrise.
  • Fokussierung auf veränderte Routinen in der Friseurwelt.
  • Klärung folgender Fragestellungen: Was erwarten Kund*innen von Friseur*innen, wenn sie derzeit einen Salon betreten? Mit welchen Problemen sind Friseur*innen in diesen herausfordernden Zeiten konfrontiert? Wie kann kao sowohl Endkund*innen als auch Friseur*innen unterstützen?

Dabei wollte kao Konsument*innen und Friseur*innen in verschiedenen Märkten Europas betrachten, die von der ersten Welle mit unterschiedlichem Schweregrad betroffen waren. Die Netnography führte HYVE daher in Deutschland und Spanien durch.

Netnography Insights: überraschende und vielversprechende Erkenntnisse für neue Innovationen

Visualisierter Insight aus der Abschlusspräsentation von HYVE
Visualisierter Insight aus der Abschlusspräsentation von HYVE

Sicherlich sind Sie neugierig, welche Erkenntnisse die Netnography lieferte. Hier sind einige.

Ein überraschendes Ergebnis lag in der Unterschiedlichkeit des Umgangs mit Covid-19 zwischen Deutschen und Spaniern. Drei Typen ließen sich identifizieren:

1. Die Sicherheitsmaximierer, die um jeden Preis ihr Ansteckungsrisiko minimieren wollen. Auch wenn das heißt, sich im Alltag extrem einzuschränken und sich eventuell mehr Maßnahmen aufzuerlegen als nötig. So desinfizieren Sicherheitsmaximierer zum Beispiel alles, was von der Außenwelt in ihre Sphäre, ihr Zuhause, eindringt; selbst verpackte Lebensmittel. Manche richten sogar eine Quarantänezone in ihrem Hausflur ein, wo „kontaminierte“ Kleidung abgelegt wird oder wo die Straßenschuhe desinfiziert werden. 

2. Die Rationalisten passen ihr Verhalten bezüglich der Pandemie so an, wie sie es für sinnvoll erachten. Das heißt, sie informieren sich über verschiedene Medien, nehmen die Meinung von Expert*innen ernst und handeln basierend auf dieser Information. Rationalisten finden zum Beispiel, dass Maskentragen aufgrund der aerosolen Übertragung sinnvoll und wichtig ist. Dagegen nimmt das Desinfizieren von Händen oder Gegenständen einen nicht allzu großen Stellenwert ein, da eine Schmierinfektion ihrer Meinung nach sehr unwahrscheinlich ist.  

3. Die Coronaleugner, die sämtliche Maßnahmen der Regierungen für überzogen halten oder die Schwere der Krankheit nicht anerkennen. 

Spanische Konsument*innen schienen wesentlich mehr Sicherheitsmaximierer unter sich zu vereinen, während deutsche Konsument*innen mehrheitlich aus Rationalisten bestanden. 

Diese Veränderungen des allgemeinen Konsumentenverhaltens führen auch unweigerlich zu neuen Erwartungen von Kund*innen an die Friseurwelt. Einige Kund*innen erwarten beispielsweise eine sichtbare Desinfektion von Schere, Kamm und anderen Utensilien und beobachten sorgfältig, wie Friseur*innen mit Hygienemaßnahmen umgehen. Falls die Maßnahmen nicht so umgesetzt werden wie erwartet, wird der besuchte Salon in Zukunft zum locus-non-grata.

comics ideation
Visualisierter Insight aus der Abschlusspräsentation von HYVE

Friseure als Helden oder Gestrige?

Ist die Öffnung von Friseursalons wundervolle Verheißung für Kund*innen? Oder haben sie sich während des Lockdowns mit YouTube Tutorials und überteuerten Haarschneidescheren zu angelernten Haarkünstler*innen gemausert? Ist die DIY Frisur gar so gelungen, dass der Barbier in Zukunft nicht mehr benötigt wird? Oder passiert das blanke Gegenteil und Friseur*innen werden monatelang Schadensbegrenzung an verfärbten Stufen- und Kantenschnitten leisten müssen und als rettende Helden des ruinierten Schädels gefeiert?

Jede mögliche Fortentwicklung des Friseurhandwerks und -bedarfs konnte unsere Netnography identifizieren und jede birgt neue Chancen, Entwicklungsmöglichkeiten und Potenziale für Friseur*innen der Zukunft, die HYVE gemeinsam mit kao evaluiert, verfeinert und weiterentwickelt.

Ausblick dank Durchblick

idea lookup

In Zeiten des Wandels sind vor allem unsere Spontanität und Flexibilität gefragt: wer schnell und agil handelt wird belohnt. Zu Anfang der Pandemie hörte man von erfolgreichen Unternehmen, die spontan handelten und somit von der Krise profitierten: Destillerien stellten ihre Produktion auf Desinfektionsmittel um, Schneidereien nähten Masken in Rekordzeit oder Restaurants gaben Kochkurse via Zoom. Auch kao handelte: Zum Schutz der allgemeinen Gesundheit stellte kao allen Mitarbeitenden weltweit, bestimmten Kundengruppen (auch Friseuren) und gemeinnützigen Organisationen Handwasch- und Desinfektionsprodukte sowie Gesichtsmasken kostenfrei zur Verfügung.

Eine Netnography war genau das richtige Innovationsinstrument für kao. Um Friseur*innen ein innovatives und hilfreiches Hygienekonzept anzubieten, braucht es ein grundlegendes und tiefgreifendes Verständnis der Verbraucherbedürfnisse. Nur so lassen sich maßgeschneiderte Lösungen entwickeln. Mit der Netnography konnte kao die Auswirkungen von Corona auf ihre Branche genau verstehen und so seine Innovationsstrategie auf Kurs halten.  

Um die Erkenntnisse der Netnography zu vertiefen, plant kao den nächsten Schritt seiner Innovation Journey: Interviews mit Friseur*innen in Deutschland, um deren Anliegen besser zu verstehen und ihre Sichtweise auf die gewonnenen Netnography Insights zu erhalten.

Bei HYVE sind wir der Überzeugung, dass man die Krise in vielerlei Hinsicht als Chance begreifen kann und freuen uns, Sie bei der Auslotung und Implementierung Ihrer Innovationsstrategie zu unterstützen.

Innovationsstrategie maßgeschneidert