Digitale Transformation in der Automobilbranche – die neue Rolle der Hersteller

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Die digitale Transformation stellt traditionell produktorientierte Unternehmen, wie z.B. in der Automobilbranche, vor Herausforderungen. Wie kann man sicher durch das schnelllebige digitale Innovationszeitalter navigieren, ohne das Kerngeschäft und die eigene Unternehmenskultur aus dem Blick zu verlieren? Wie verbindet man das Beste aus beiden Welten, nutzt digitale Werkzeuge und kann Unternehmensstrukturen und -prozesse innovationsfreundlicher gestalten? Wie schafft man neuen Wert, ohne alte Werte zu vergessen? Wie lassen sich im Bereich Mobilität Software und Hardware zu wirklich kundenzentrierten Innovationen kombinieren und neue Geschäftsmodelle schaffen?

Kundenanforderungen im Wandel

Die Anforderungen an die eigene Mobilität haben sich in den vergangenen Jahren spürbar verändert; das Fahrzeug als Statussymbol hat für junge Menschen zunehmend an Relevanz verloren. Kilometerlange Staus, nervenstrapazierende Verkehrsbedingungen und ökologische Aspekte nähren den Trend weg vom eigenen Automobil. Die Generationen Y und Z verzichten immer öfter auf das eigene Fahrzeug, vor allem, wenn sie in Großstädten leben. Dagegen werden Car Sharing oder Ride Hailing immer populärer.

Um weiterhin die Interessen, Prioritäten und Wünsche der Kund*innen zu adressieren, müssen Automobilhersteller neue Geschäftsfelder forcieren und auf attraktive Services setzen. Im Kern dieses Wandels steht die digitale Transformation, die ohne eine umfassende Digitalisierung nicht möglich ist.

In unserem Podcast erfahren Sie, mit welchen Methoden und Tools BMW der digitalen Transformation begegnet!

Embrace (Digital) Change

Mit der reinen Implementierung neuer Services, wie Carsharings-Dienste, um die produzierten Fahrzeuge einer breiten Nutzerbasis zur Verfügung zu stellen, ist der Wandel für die Automobilbranche aber noch lange nicht getan.

Neue Technologien wie das Internet of Things (IoT), Blockchain und Künstliche Intelligenz ermöglichen die Umsetzung neuer Geschäftsmodelle, etwa eine intelligente Routenplanung auf Basis von Livedaten. Auch die Car-to-Car-Kommunikation wird künftig eine zunehmend wichtige Rolle spielen und eine noch schnellere Übermittlung von Daten in Echtzeit ermöglichen – eine wundervolle Verheißung nicht nur für Berufspendelnde.

Aber auch die In-Vehicle Voice Interaction sorgt für zusätzlichen Komfort. Sowohl Autohersteller als auch Original Equipment Manufacturer (OEM) implementieren Spracherkennungstechnologien in ihre Systeme, um den Fahrern High-End-Produkte anbieten zu können.

Voice Interaction im Auto gibt es schon eine Weile: sie begannen als integrierte Spracherkennungssysteme am Lenkrad, konnten auf Phrasen reagieren und haben die Gewohnheiten der Verbraucher*innen geprägt. Heute ist Spracherkennung nicht mehr eine reine Schnittstelle zur Steuerung von Funktionen, sondern tatsächlich echtes in-car Entertainment.

Prof. Dr. Johann Füller, Professor für Entrepreneurship & Innovation an der Universität Innsbruck

Neue Geschäftsmodelle im digitalen Ökosystem

Durch Cross-Sales und Kooperationen mit Dienstleistern anderer Branchen ergeben sich zahlreiche Potenziale zur Erweiterung der eigenen Geschäftsmöglichkeiten. Die Fahrzeuge der Zukunft sollen zudem auf Komfort und Praktikabilität ausrichtet sein. So könnten Kooperationen mit Entertainmentanbietern wie Netflix in Zukunft ein angenehmeres Reisen ermöglichen. Das Start-up holoride zeigt eindrucksvoll, wie sich ein In-Car Entertainment revolutionieren und XR im Fahrzeug erleben lässt.  Erfahren Sie mehr dazu in unserem Blog Post über holoride.

Weitere Beispiele gefällig?

Beim Connected Car kommunizieren die Nutzer*innen mit dem Fahrzeug über das eigene mobile Endgerät. Ein beliebtes Beispiel für mehrwertstiftende Dienste ist auch die Last-Mile-Navigation. Diese erweitert die Navigation des festverbauten Navigationsgeräts auf das Smartphone und navigiert Anwender*innen auch zu Fuß zum gewünschten Ziel.

Immer mehr Hersteller setzen zudem auf autonome Parkmechanismen, die sich mittels Smartphone steuern lassen. Langfristig eröffnet die Künstliche Intelligenz beim autonomen Fahren völlig neue Möglichkeiten, Anwendungskontexte und Nutzererlebnisse.

Diese sogenannten functions on demand – also das nachträgliches Freischalten von Features – ermöglicht es, das Fahrzeug nach dem Kauf um weitere Features zu erweitern. Bei BMW macht man das nicht nur für Software, sondern auch für Hardware möglich. So können Zusatzfunktionen on demand freigeschaltet werden, ohne in die Werkstatt fahren zu müssen.

Vom reinen Hardwareproduzenten zum Software-Provider

Die zunehmende Elektrifizierung nivelliert Wettbewerbsvorteile bei den Verbrennungsmotoren und Optimierungspotenziale bei modernen E-Motoren sind verschwindend gering; eine Differenzierung erfolgt immer stärker über die bereitgestellten Funktionalitäten und Services. Dabei spielt die Umsetzungsgeschwindigkeit eine tragende Rolle für den Erfolg.

Automobilhersteller lösen sich damit von der Rolle des reinen Fertigers eines massenmarkttauglichen Produkts. Stattdessen richten sie den Fokus auf die Software im Fahrzeug und nehmen zunehmend auch die Rolle des Software-Providers ein. Diese Software ermöglicht die Differenzierung vom Wettbewerb und ist eine Möglichkeit zur Schaffung neuer Geschäftsmodelle und Werteangebote.
Und sie bringt einen weiteren Aspekt mit sich: die Verbindung zum Kunden endet nicht, sobald dieser mit dem gekauften Auto vom Hof fährt. Die Verbindung bleibt während des gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs bestehen.

 Automobilhersteller und Zulieferer brauchen neue Geschäftsmodelle, um aktiv den Wandel mitzugestalten. Connected Cars bieten eine zusätzliche Möglichkeit, auch nach dem Autoverkauf den Kunden zu erreichen und mit ihm in Kontakt zu bleiben. Eine neue Einnahmequelle für Automobilhersteller könnten künftig unter anderem Service-Lizenzen sein.

Prof. Dr. Johann Füller, Professor für Entrepreneurship & Innovation an der Universität Innsbruck

Vom Automobilanbieter zum Emotionsstifter

Eine besondere Herausforderung bei der Erweiterung des Angebotes um digitale Services liegt in der emotionalen Kundenbindung. Grundsätzlich sind Fahrzeugkäufe oftmals durch emotionale Beweggründe geprägt, sodass sich eine starke Bindung zwischen Käufer*innen und der gewählten Marke ergibt. Hersteller müssen diese Bindung auf die neuen, digitalen Produkte übertragen, denn eine erfolgreiche digitale Transformation kennt und berücksichtigt auch die Customer Experience. Digitale Lösungen stellen stets den Kunden in den Fokus und Automobilhersteller müssen die Anforderungen der Kunden antizipieren und die eigenen Geschäftsmodelle an diesen Anforderungen ausrichten. Hierbei fungiert die Technologie als Enabler.

Viele Fahrzeughersteller entwickelt sich stark vom Anbieter eines Produktes hin zu einem Anbieter von Services rund um das Produkt. Das Produkt ist nach wie vor Premiumqualität, aber die Bedeutung des Produktes, die emotionale Assoziation nimmt in den letzten Jahren deutlich zu.
Wie BMW die Kundenbedürfnisse identifiziert und kundenzentrierten Mehrwert generiert, erfahren Sie in unserem Podcast auf Spotify.

Service als strategische Ausrichtung

First things first – Die Digitalisierung bestehender und die Erschließung neuer Geschäftsfelder, bieten einzigartige Möglichkeiten langfristig Ressourcen zu sichern und das unternehmerische strategische Denken zu hinterfragen.

Folgende Schritte können hilfreich sein:

  1. Am Anfang jeder digitalen Transformation steht eine Digitalisierungsstrategie, die dabei hilft, Fach- und Technologiebereiche stärker miteinander zu vernetzen und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Abteilungen zu vereinfachen.
  2. Je nach Reifegrad des Unternehmens steht die Entwicklung smarter Ziele und einer individualisierten Digitalisierungsstrategie, die Klarheit über den derzeitigen Stand der Produkte, Leistungen und Services liefert.
  3. Visualisierung von Etappen und Ziele in Form digitaler Roadmaps. So bilden Sie eine solide Ausgangsposition, um Erfolg zu feiern und behalten während des Prozesses die Orientierung.
  4. Ausbau der digitalen Kompetenzen: Die Anforderungen an Mitarbeiter*innen erhöhen sich fortlaufend. Ein einfacher und schneller Informationsaustausch im gesamten Unternehmen sollte spätestens nach dem Change-Prozess vorhanden sein.
  5. Be user-centric! Entwickeln Sie Lösungen mit Partnern und Kunden: Schaffen Sie Synergien und kooperieren mit Partnern und Kunden, um digitale Lösungen zu entwickeln.
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