Innovation zwischen Corporate und Hub – was Lean Prototyping kann

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Innovationen in klassischen Großkonzernstrukturen voranzutreiben, ist nicht immer ein Klacks. Die Metapher des behäbigen Tankers, der verglichen mit rasanten Schnellboten – den Innovation Hubs – deutlich schwerer zu navigieren und manövrieren ist, kennen wir alle. Nicht selten werden Innovationseinheiten daher in Tochterunternehmen ausgelagert, werden Innovation Labs zum Ausbruch aus dem klassischen Workflow gegründet und innovationstreibende Mitarbeiter zu Nomaden in kreativen Workspaces. Die Abstimmung mit dem Mutterkonzern bringt in diesen Konstellationen häufig lange Freigabeprozesse und mühsame, kennzahlengetriebene Überzeugungsarbeit mit sich, und die Koordination und Steuerung von Innovationsprozessen kann steinig werden. Gegenentwurf gefällig? Wir zeigen Ihnen, wie man als Innovation Hub mit Prototyping im corporate Ökosystem schnell und agil innovieren kann.

Erfolgsfaktor Gründergeist

Innovation muss erneuern? Ja! Innovation muss tradierte Geschäftsmodelle radikal verkehren? Okay! Innovation muss die Identität des Unternehmens verändern? Nein! Neue Arbeitsmethoden in der Markenentwicklung, Digitalisierung sowie die Schaffung neuer Business-Modelle setzt nicht die Tradition der Firmengründer außer Kraft. Die Qualität der Gründungsidee und der Gründungsgelegenheit darf mitgedacht werden. Die äußeren Rahmenbedingungen der Gründung (Finanzierungsmöglichkeiten, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Technologie, Gesetzgebung, Ökologie und Wertevorstellungen) sowie die Persönlichkeit der Firmengründer spielen auch im Innovationskontext eine große Rolle. Nur so kann es gelingen, der Unternehmensidentität treu zu bleiben und zugleich die digitale Transformation zu meistern. Nur so können Tradition und Innovation zu einem perfect match werden.

Zugleich braucht es für Innovation Menschen, die diesen Gründungsspirit aufgreifen, inhärent haben und vorantreiben. Die innovative Ansätze testen – von der Positionierung, über die Kommunikation bis hin zum Vertrieb. Diese Unit orientiert sich dabei an der Kultur, der Ideenfindung und den agilen Arbeitsmethoden von Start-ups und testet sowie adaptiert sie entsprechend ihren Bedürfnissen im Unternehmenskontext. So arbeitet das Team bei der Entwicklung neuer Marken nicht nur mit Kollegen innerhalb des Unternehmens eng zusammen, sondern setzt ganz bewusst auch auf Input und Ideen externer Partner. Auf diese Weise können Wissen und Innovationsgeist zwischen unterschiedlichen Welten transferiert werden – und am Ende beide Seiten profitieren.

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Corporate Start-up Units

Corporate Start-up Units bilden nicht nur einen völlig neuen Geschäftsbereich, sondern etablieren auch eine gänzlich neue Arbeitsweise: hier stehen innovative und agile Ansätze im Fokus.  Hier können bestehende Marken weiterentwickelt werden. Aber nicht nur das. Corporate Innovation Hubs sehen genauer hin, wo der Konzern Kundenbedürfnissen noch nicht optimal begegnet. Welche Nischen durch die großen Marken noch nicht bedient werden. Innovation Hubs spüren diese Whitespots auf und entwickeln vollkommen neue Produkte.

Corporate Brands zu verfeinern, aufzuspüren, voranzutreiben erfordert, sich immer wieder selbst zu hinterfragen. Dafür braucht es Eigeninitiative, Mut und kreatives Denken.
Um als Innovation Hub im Konzern Unterstützer für die neue Produktidee zu finden und zu überzeugen, können Prototypen helfen, die eine Neu- und Fortentwicklung von Produkten und Marken in kurzer Zeit mit wenig Aufwand und geringer Investition anschaulich machen. Und nicht nur fürs Corporate sind Prototypen ideale Diskussionsgrundlage, Veranschaulichung, Basis einer Fortentwicklung. Auch im Hinblick auf zukünftige Kunden ist das Testen von Prototypen essenziell.

Wie (Lean) Prototyping beim Testen von Ideen hilft

Bei vielen Produkten zündet oft die kleine Idee, die sich in Verbraucherstudien findet. Diese kleine Idee wird angereichert um Aspekte, die dem Verbraucherwunsch begegnen. Für die Entwicklung eines Prototyps muss nicht nur der Kern des Produktes, sondern auch der Kern des Verbraucherbedürfnisses identifiziert werden. Der Prototyp vereint idealerweise beides in sich.

So weit so gut. Doch essenziell ist die Reaktion des Verbrauchers beim Test: zwischen Begeisterung, müder Gleichgültigkeit und klarer Ablehnung kann man dabei alles erleben. Am Ende müssen die Prototypen so angereichert oder verschlankt sein, dass sie das Kundenbedürfnis passgenau erfüllen.

Der Schlüssel liegt nicht nur im Sammeln immer neuer Erkenntnisse und der Anreicherung von „immer mehr“; manchmal kann es auch sinnvoll sein, etwas über Bord zu werfen, was man selbst für Unverzichtbar hielt, beim Konsumenten aber null ankommt.

Prof. Dr. Johann Füller, Professor für Entrepreneurship & Innovation an der Universität Innsbruck

Die Herausforderungen beim Lean Prototyping

  1. Welche Abbildung des zukünftigen Produkts ist so einfach (und günstig) wie möglich und gleichzeitig so ausgefeilt wie nötig, um die Essenz des Produkts sinnvoll zu verproben?
  2. Wie kann ich den Detailgrad des Prototyps je nach Projektphase anpassen? Und welcher Detailgrad passt zu welcher Phase des Projektes?
  3. Wie lean darf der Prototyp sein, um dennoch eine vernünftige User Experience zulassen?
  4. Wie berücksichtigt man bei Prototypisierungen die Pole R&D (Feasibility Prototyping) versus Marketing / Claim und Story (Desirability Prototyping)?

Wireframe prototyping

Digitale Prototypen von morgen

Der Bau von digitalen Prototypen wird in jeder Branche immer wichtiger. Vorteile gegenüber der klassischen Marktforschung und physischen Prototypen gibt es viele:

  1. Digitale Prototypen verursachen in der Regel geringere Kosten, denn die während des Entwicklungsprozesses zwangsläufig auftretenden Konstruktionsänderungen können in eine frühe Phase der Entwicklung verlegt werden.
  2. Konstruktionsvarianten können am Computer leicht ausgetestet und optimiert werden.
  3. Digitale Prototypen erleichtern und ermöglichen die gemeinsame Entwicklung über Abteilungs-, Firmen- oder geografische Grenzen hinweg. Die jeweils besten Spezialisten und Partner weltweit können in ein digitales Entwicklungsnetzwerk eingebunden werden.
  4. Tests von Prototypen können am Rechner schneller durchgeführt werden als mit physischen Modellen.
  5. Digitale Prototypen führen zur ehrlichsten Rückmeldung des Konsumenten, weil das Feedback sich nicht an einen anderen Menschen richtet und soziale Interaktionsparameter keine Rolle spielen.
Dr. Sandra Lemmer

Dr. Sandra Lemmer, Executive Assistant & Content Marketer bei HYVE

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