Nach einer zweijährigen Corona-Pause fand am 03. und 04. November die PUSH UX Conference endlich wieder vor Ort statt. Circa 700 Gestalter:innen, Researcher:innen, Tüftler:innen und andere Kreativschaffende aus aller Welt kamen in der alten Kongresshalle direkt neben der Theresienwiese zusammen. Gemeinsam wurde über aktuelle und zukunftsrelevante Themen rund um das Thema User Experience referiert und diskutiert. Internationale Speaker mit vielfältigen Backgrounds gestalteten das Rahmenprogramm der zwei Tage. Zusätzlich konnte man in interaktiven Sessions und bei der Ausstellung spannender UX-Projekte in den Austausch mit anderen Teilnehmenden treten.
Für unsere Expert:innen bei HYVE aus den Bereichen UX/UI Design, UX Research, Service Design und Software Development war dies eine tolle Möglichkeit, sich Inspiration und Input für die Entwicklung digitaler Produkte und Services zu holen.
In den insgesamt 17 Talks wurden vielfältige Themen aus dem digitalen Bereich aufgegriffen. Ein Teil beschäftigte sich damit, wie Gestalter:innen den aktuellen Herausforderungen im Arbeitsalltag begegnen können. Darunter fanden sich Themen wie das People Management oder die Selbstpositionierung von Gestalter:innen gegenüber ihrer Arbeit. Der andere Teil legte einen stärkeren Fokus auf die Nutzer:innen-Perspektive. Dabei wurde deutlich, wie wichtig ein offener Blick ist, weil es eine große Diversität an Nutzergruppen gibt, deren individuelle Bedürfnisse in der Entwicklung unbedingt mitgedacht werden müssen. Darüber hinaus machen es aktuelle Entwicklungen wie der Klimawandel unumgänglich bestimmte Praktiken neu zu denken.
Take-Away #1: Human centric Design bedeutet Planet centric Design
Im Fokus der digitalen Produktentwicklung steht meist der:die Nutzer:in. Der Erfolg eines Produktes bemisst sich daran, dass die Wünsche und Bedürfnisse einer:s einzelnen Nutzer:in getroffen werden. Das Ergebnis davon sind Anwendungen, die uns in den Bann ziehen, Freude bereiten und / oder das Leben leichter machen. Problematisch daran ist, dass durch eine User Experience, die als einzigen Erfolgsfaktor die User Centricity hat, häufig Verhaltensweisen hervorgerufen werden, die zwar bequem, aber mit Blick auf den Planeten und zukünftige Generationen nicht verantwortungsvoll sind.
Die Herausforderung besteht zukünftig darin, zwei Perspektiven zu berücksichtigen: zum einen die Perspektive der User, zum anderen der ganzheitliche Blick auf unsere Umwelt (Planet Centricity). Im Talk von Thorsten Jonas (SUX – sustainable UX) wurde darauf aufmerksam gemacht, dass dazu bereits konkrete Methoden zur Verfügung stehen, die beide Perspektiven vereinen. Durch eine Empathic User Journey kann beispielsweise untersucht werden, welche Auswirkungen es innerhalb der Journey-Schritte auf unterschiedlichste Akteure gibt. Mit unserem Human centric Approach verfolgen auch wir bei HYVE das Ziel, unsere Projekte ganzheitlich zu betrachten.
Wir wollen für eine wünschenswerte Zukunft innovieren. Damit wir diese gestalten können, müssen wir uns zwangsweise auch mit den kurz- und langfristigen Auswirkungen unserer Produkte und Services auf unsere Umwelt auseinandersetzen. Gerne begleiten wir auch Sie auf dem Weg zu nachhaltiger Innovation. Mehr dazu erfahren Sie hier.
Take-Away #2: Von den Nutzer:innen lernen
In den meisten Fällen werden Produkte so gestaltet, dass sie einen genau definierten Funktionsumfang abdecken. Während der Präsentation von Mustafa Kurtuldu (Twitter) wurde jedoch bewusst, dass Nutzer:innen nicht darauf beschränkt sind. Sie improvisieren mit den Produkten und erweitern durch individuelle Praktiken den Funktionsrahmen. Damit werden mitunter Grundbausteine für neue Produkte gelegt. Nachvollziehbar wird dies an folgendem Beispiel: Nachdem Google im Jahr 2004 Gmail mit einem Online-Speicherplatz von einem Gigabyte gelauncht hatte, konnte beobachtet werden, dass Nutzer:innen Emails mit großen Dateien im Anhang speicherten, ohne sie abzusenden. Sie nutzen das Emailprogramm also nicht im ursprünglichen Sinn, sondern gestalteten indirekt den ersten Cloud-Speicher-Dienst.
Innovative Lösungen entstehen nicht hinter verschlossenen Türen von Entwicklungsabteilungen. Sie entstehen im fortlaufenden Austausch mit den Nutzer:innen. Sich rein gedanklich in Nutzergruppen einzufühlen ist nicht ausreichend. Co-Creation ist daher das A&O für die Innovationsentwicklung. Für uns bei HYVE bedeutet das, von der Ideenfindung bis zur Validierung von Konzepten eng mit den potentiellen Nutzer:innen zusammenzuarbeiten. Wie wir die Nutzer:innen-Perspektive auch in Online-Settings einholen, lesen Sie hier.
Take-Away #3: Barrierefrei gestalten als neues „normal“
Bei der Analyse der Nutzer:innen sind wir es gewöhnt Pains, Gains und Needs in Hinblick auf eine bestimmte Problemstellung zu analysieren. Dabei sollten Themen unabhängige Merkmale der Nutzer:innen nicht vernachlässigt werden. Oftmals kommt es vor, dass Personas nach dem gleichen Pattern gestaltet werden: Sie sind weiß, zwischen 20 und 50 Jahre alt, verfügen über eine mittleres bis hohes Einkommen und haben keine körperlichen oder kognitiven Einschränkungen. Dass dies nie die tatsächliche Vielfalt der Nutzergruppen abdeckt, ist selbstverständlich. Irina Rusakova bekräftigte dies in ihrem Vortrag mit dem Satz: „,Normal‘ is diverse“. Normalität bedeutet nicht im immer gleichen Muster zu denken, sondern die Diversität in der Gesellschaft zu begreifen. Wir sollten daher sicherstellen, dass digitale Lösungen für möglichst viele zugänglich sind.
Barrierefreiheit kann viele Ausprägungen haben. Es kann beispielsweise darum gehen, eine kognitive Überlastung zu vermeiden, die Lesbarkeit zu optimieren oder die Sprache einfach verständlich zu machen. Für jeden Bereich gibt es Prinzipien, die Personen mit gewissen Merkmalen bei der digitalen Experience unterstützen. Im Falle der kognitiven Barrierefreiheit sind dies Prinzipien wie auf Konsistenz zu achten, Mehrdeutigkeit oder unerwartete Interaktionen (z.B. plötzliche Pop-ups, automatisch abspielende Videos) zu vermeiden. Das Gute daran ist, dass bei der Gestaltung nach diesen Prinzipien nicht nur eine Gruppe profitiert, sondern alle Nutzer:innen. Was die kognitive Belastung für beispielsweise autistische Personen verringert, verringert sie auch für alle anderen. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Barrierefreiheit ist deshalb in jedem Fall eine lohnende und sollte als das New Normal begriffen werden.
Take-Away #4: UX-Standards innovieren
Eine Innovation kann bedeuten, ein neues Themenfeld zu identifizieren oder eine neuartige, smarte Lösung für ein bekanntes Problem zu entwickeln. Innovation kann aber auch heißen, die Art und Weise, wie eine digitale Lösung gestaltet ist, neu zu denken. Besonders das UX Design ist von vielen Standards geprägt, wie Anwendungen bestmöglich zu bedienen sind. Der Fokus liegt dabei auf funktionellen Gesichtspunkten.
Neben den funktionellen Parametern, sollten aber auch immer motivierende und emotionale Faktoren in Betracht gezogen werden. Indem man beispielsweise spielerische Elemente integriert oder altbewährte Interface-Elemente wie Buttons oder Checkboxen neu denkt, können digitale Lösungen einzigartige Erlebnisse hervorrufen. Je nach thematischem Kontext kann dies wichtig sein, um die Nutzer:innen zur Erfüllung einer Aufgabe zu motivieren oder sie nach dem Erreichen eines Ziels positiv zu bestärken. Wenn wir innovative digitale Lösungen entwickeln wollen, lohnt sich auch die Frage, wie wir altbewährte Standards neu denken können, um überraschende Erlebnisse zu kreieren.
Die zwei Tage auf der PUSH UX Conference haben uns neue Aspekte nahegebracht und Bekanntes wieder ins Gedächtnis gerufen. Die Auswirkungen auf den Planeten zu berücksichtigen, die Nutzer:innen in den Schaffensprozess zu integrieren, inklusive Lösungen zu schaffen und überraschende Erlebnisse zu kreieren, können als Stellschrauben für ein gelungenes Produkt betrachtet werden. Klar ist, dass es neben diesen Aspekten noch viele weitere zu berücksichtigen gilt. Ebenso ist uns bewusst, dass manche Aspekte nicht für jedes Projekt relevant sind. Gemeinsam wollen wir herausfinden, inwiefern diese Take-Aways uns bei kommenden Projekten auf dem Weg zu innovativen, digitalen Lösungen unterstützen können.